Schule will Wissen vermitteln, welches lebendig ist, denn all die Schuljahre sollen nicht dazu dienen, die anfangs noch leeren Regale innerhalb unserer Köpfe mit Krimskrams vollzustellen, der am Ende doch nur Staub fängt. So möchte jede Schule die ihnen anvertrauten Kinder und Jugendlichen zu vernünftigen Menschen erziehen, die auf der Basis ihres erworbenen Wissens und Könnens sinnvolle Entscheidungen treffen können. Doch es gibt auch Dinge, die gern lebloses Theoriewissen bleiben dürfen.
Es gehört zu den Säulen des Faches Geschichte, dass man Jahr für Jahr die menschliche Geschichte behandelt, die mit Gewalt leider nicht spart. Die Eroberungszüge des Römisches Reiches, die Kreuzzüge, der Dreißigjährige Krieg, die Urkatastrophe des Ersten Weltkrieges, die schier in die endlose gesteigerte Barbarei des Zweiten Weltkrieges und Holocausts. Nur selten zeigen sich die Schülerinnen und Schüler angesichts dieser Inhalte schockiert und betrübt, denn meistens fallen Worte wie „spannend“ und „interessant“. Allzu sehr haben wir uns den Schrecken abgewöhnt, denn im Hintergrund schwebte immer der Glauben, dass es sich um Abschnitte einer fernen, fast fremden Vergangenheit handelt. Doch spätestens seit dem 24. Februar 2022 muss man diesen Satz erneut aussprechen: Es herrscht wieder Krieg in Europa.
Dieses Ereignis beschäftigt selbstverständlich viele Schülerinnen und Schüler an unserer Schule und so manche Unterrichtsstunde dreht sich um die bangen Fragen, was dieser Krieg für die Ukrainer bedeutet oder welche Gefahren auch für uns alle drohen. Das blinde Vertrauen auf den Frieden in unserem Teil der Erde ist zerstört. Jeder ahnt, welche Folgen eine Ausweitung des Krieges zwischen Großmächten mit Atomwaffen hätte. Doch es gab und gibt keine abschließenden Antworten während der Diskussionen in unseren Klassenräumen, obwohl einige sich diese gewünscht hätten.
Die Drohne stand lautlos in der Luft, als sich die Schülerinnen und Schüler am 9. März auf dem Schulhof versammelten, um ihre blauen und gelben Schilder in den Himmel zu halten. Sie selbst sahen es nicht, aber dafür blickte das Auge der Kamera auf ein Peace-Zeichen herab. Wir waren nicht die erste Schule, wir waren auch nicht die letzte Schule, die diese Idee als Zeichen gegen den Krieg umgesetzt hat. Doch wäre es nicht ein wenig eitel, außerordentlich kreativ und einzigartig sein zu wollen? Schließlich ist der Wunsch doch erschreckend einfach: Über Krieg in Europa wollen wir an unserer Schule wieder in der Vergangenheitsform sprechen.
Autor: Tim Reinke,
Fachlehrer für Deutsch und Geschichte an der FGS in Lützen